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Marode und gefährlich: Genthiner Feuerwehrleute im Nachkriegs-Gerätehaus

Aus Genthin berichtet Falk Heidel

 

Retten – Löschen – Bergen – Schützen: Das sind die Aufgaben der Feuerwehr. Die Genthiner Wehr hat im vergangenen Jahr 124 Einsätze absolviert - zwischen Kellerbrand und tödlichem Verkehrsunfall. Doch die Einsatzbedingungen sind unterirdisch: „Unser Feuerwehrzentrum ist marode und in einem desolaten Zustand“, sagt Stadtwehrleiter Achim Schmechtig. Aus Sicht der Feuerwehrleute ist ein Neubau überfällig, weil das knapp 70 Jahre alte Gebäude den gesetzlichen Standards längst nicht mehr entspricht. Mehr noch: „Für die Einsatzkräfte können regelmäßig gefährliche Situationen entstehen, weil alles zu eng und unübersichtlich ist. Gebaut wurde das Haus für die Feuerwehrarbeit in den 50er Jahren“, erklärt Gerätewart Dirk Röber. Er setzt sich in ein Auto und lenkt das Löschfahrzeug aus der Halle nach draußen und wieder zurück. Dabei muss er die Spiegel einklappen, weil die Tore zu schmal sind.

Gerätewart Dirk Röber. Foto: Falk Heidel/Alpha-Report
Gerätewart Dirk Röber. Foto: Falk Heidel/Alpha-Report

Damit ist das Feuerwehr-Trauerspiel noch längst nicht zu Ende. Bevor sich ein Fahrzeug in Bewegung setzt, muss der Motor zunächst eine Weile im Stillstand laufen, um den nötigen Bremsdruck zu erzeugen. Gesetzlich vorgeschrieben ist dafür eine Abgas-Absauganlage, die in der Genthiner Fahrzeughalle nicht vorhanden ist. Damit gehen die Einsatzkräfte ein völlig überflüssiges gesundheitliches Risiko ein - der Begriff „Feuer-Krebs“ steht für eine traurige Wahrheit: Laut medizinischen Studien sterben Feuerwehrleute überproportional oft an Krebs. Längst ist bewiesen, dass krebserregende Gase und Partikel noch wochenlang in der Feuerwehrkleidung und in den Einsatzwagen verbleiben, wenn diese nach einem Brandeinsatz nicht sofort gewaschen werden. Die Feuerwehrleute können deshalb die Giftstoffe über Haut oder Lunge auch verzögert aufnehmen. 

Abhilfe schafft das sogenannte Schwarz-Weiß-Prinzip. Damit stecken die Wehrleute ihre Kleidung unmittelbar nach dem Brandeinsatz in luftdichte Säcke und dann umgehend in die Waschmaschine. Im maroden Genthiner Feuerwehr-Depot ist das Schwarz-Weiß-Prinzip nicht umsetzbar. Also noch ein Grund für einen zügigen Neunbau. Allerdings ist dieser Neubau aktuell nicht in Sicht. Neun Millionen Euro kostet das Vorhaben, nur eine Million davon würde als Fördergeld vom Land in die Finanzierung einfließen. Aktuell arbeiten die Stadt und der Stadtrat an der Erstellung eines Haushalts für dieses Jahr. Darin müsste die Bausumme berücksichtigt werden. Müsste! „Mit dieser Investitions-Summe hat der Haushalt keine Chance auf Genehmigung durch die Kommunalaufsicht“, erklärt Stadt-Kämmerin Janette Zaumseil. 

Die Genthiner Fahrzeughalle ist unzweckmäßig und viel zu eng. Foto: Falk Heidel/Alpha-Report
Die Genthiner Fahrzeughalle ist unzweckmäßig und viel zu eng. Foto: Falk Heidel/Alpha-Report

Damit steht aktuell in der Sternen, wann der Neubau realisiert werden kann. Obwohl sofort gehandelt werden müsste. Der Keller ist feucht mit dezenten Pfützen hinter dem Heizungsraum, der mit einer 30 Jahre alten Anlage bestückt ist. Wenn Gerätewart Röber in der Fahrzeughalle in eine Grube steigen will, um die Autos von unten zu kontrollieren, muss er zunächst das Wasser mit einer Pumpe absaugen.  In der oberen Etage erinnert der Sicherungskasten für die Elektroanlage an Vorkriegszeiten. Hier ist das Treppengeländer so wackelig, dass es aus Sicherheitsgründen gesperrt werden müsste. Mehr als traurig ist der Zustand der viel zu engen Umkleide für die Kameraden. Hier stehen heruntergekommene Holzschränke aus DDR-Zeiten. Wehrleiter Schmechtig: „Eigentlich sollten für jeden Kameraden zwei Umkleide-Spinde zur Verfügung stehen - getrennt nach Einsatz- und Privatkleidung. Stattdessen gibt es für die meisten nur eine Schrankhälfte.“ Was ihn ärgert: „Hier hat sich über Jahre hinweg ein Investitionsstau aufgebaut.“ Hinzu kommt die Tatsache, dass für neu hinzukommende Kameraden kein Platz mehr in der Umkleide ist. Zudem gibt es keine Geschlechtertrennung in Umkleide und Sanitärbereich. „Wir wollen kein goldenes Schloss, sondern ein funktionierendes Gebäude für erlassgerechte Arbeit.“

Die gesamte Mängelliste ist noch sehr viel länger. Unter anderem gibt es keine separaten Batterieraum. Stattdessen werden die Speicher am Rande eines Korridors gelagert und geladen, in dem die Einsatzkräfte von der Umkleide zu den Fahrzeugen sprinten. 

Am Genthiner Feuerwehrstandort gibt es insgesamt 37 Einsatzkräfte, die die Alarmbereitschaft absichern. Zudem ist das Depot Ausbildungs- und Schulungsstandort der Gemeindewehr, die sich aus neun Ortsfeuerwehren zusammensetzt.

Die 1874 gegründete Genthiner Ortswehr feiert übernächstes Jahr 150-jähriges Jubiläum. Wehrleiter ist Tobias Dürpisch. Er hat im vergangenen Jahr die Nachfolge von Achim Schmechtig angetreten, der aber noch als Stadtwehrleiter fungiert. Die Genthiner Wehr hat 26 Mitglieder im Einsatzdienst. Hinzu kommen 17 Angehörige der Jugendwehr und 4 Vertreter aus der Alters- und Ehrenabteilung. Für sie alle gibt es immerhin einen Lichtblick aus dem Genthiner Rathaus: Für 1,2 Millionen Euro soll es neue Fahrzeugtechnik geben. Grund: Auch der Fuhrpark ist hoffnungslos überaltert. Achim Schmechtig: „Die technische Ausstattung einer Wehr sollte die ehrenamtliche Arbeit der Kameraden wertschätzen.“

 

Bild oben: Wehrleiter Achim Schmechtig (Mitte) zeigt Genthiner Stadträten die veraltete Umkleide im Feuerwehr-Depot. Foto: Falk Heidel/Alpha-Report

 

 

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