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Warum Kutscher einen Führerschein wollen

Aus Schlagenthin berichtet Falk Heidel

 

Für Autofahrer ist ein Führerschein Pflicht. Für Kutscher noch nicht. Problematisch wird es für ihn nur dann, wenn er in einen Unfall verwickelt ist. Eben deshalb absolvierten 15 Fahrsportler bei Ausbilder Winfried Hätsch einen Kutschen-Führerschein.

 

„Scheritt, Mara!“ Langsam setzt die elfjährige Haflinger-Stute ihre Kutsche in Bewegung. Konzentriert hat Florian Schulz die Zügel in den Händen. Der Genthiner steuert seinen Einspänner über einen Dressur-Parcours auf dem Gelände des Reit- und Fahrvereins Schlagenthin. Diese Übung ist Bestandteil eines Lehrgangs zum Pferde- beziehungsweise Kutschenführerschein über drei Wochenenden mit 15 Teilnehmern aus Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Ausbilder Winfried Hätsch schult seine Schützlinge in verschiedenen Disziplinen von Erstkontakt und Pferdepflege bis hin zum Führen im öffentlichen Raum. Hätsch gehörte als Aktiver zu den besten Vierspänner-Fahrern des Landes. Aktiv ist der Atzendorfer bei Fahrsportturnieren als Richter und Parcoursbauer. 

Solche Turniere für Kutschfahrer will Florian Schulz künftig auch bestreiten: „Sich im Wettkampf mit anderen Fahrsportlern zu messen, hat nochmal einen ganz besonderen Reiz.“ Der gelernte Möbeltischler ist unter den 80 Mitgliedern des Schlagenthiner Reit- und Fahrvereins einer von nur drei Kutschern. Zum Verein gehören der 80-jährige Routinier Klaus Skibbe sowie Jürgen Euen aus Fohrde bei Brandenburg. Letzterer wurde kürzlich Vizekreismeister in Mützel bei den Zweispännern hinter Stefan Dame aus Wahlitz.

Bis zu solchen Erfolgen ist es für Florian Schulz noch ein weiter Weg, doch der erste Schritt ist mit dem Lehrgangs-Wochenende in Schlagenthin getan. Auch sein Vater Martin gehört zu den Lehrgangsteilnehmern. Beide haben sich in Genthin und dem Jerichower Land einen Namen als beliebte Kremserfahrer gemacht. Schulz Senior sagt: „Wir haben lediglich die landwirtschaftliche Fahrweise gelernt.“ Florian saß schon als Kleinkind auf dem Kutschbock, ist mit den Pferden und allem Drum und Dran aufgewachsen. Bei ihm daheim stehen ein Kremser, zwei Kutschen, ein Gummiwagen und ein Sulky, also ein Fahrgestell auf zwei Rädern. Hinzu kommen drei Pferde im Stall. Beim Lehrgang gibt’s jetzt alle Tricks und Kniffe auf dem Weg zum erfolgreichen Turniersportler.  Bei Winfried Hätsch bekommen die Akteure alle Facetten des Fahrsports vermittelt. Dazu gehört zum Beispiel das Leinen aufnehmen, Anspannen und die Sicherheit bei Verladen, Transport und Führen des Pferdes. Zur theoretischen Ausbildung gehört das Achenbachsche Fahrsystem. Das Prinzip erklärt Winfried Hätsch so: „Die Leinen werden in der linken Hand gehalten. Die rechte Hand des Fahrers bleibt so frei und kann für das Bremsen, den Gebrauch der Peitsche, das Anzeigen eines Fahrtrichtungswechsels und zum Grüßen verwendet werden. Durch Nachgeben der äußeren Leinen werden alle Wendungen eingeleitet.“

Dieter (links) und Gerhard Michalzik beim Lehrgang zum Kutschen-Führerschein. Fotos: Falk Heidel (Alpha-Report)
Dieter (links) und Gerhard Michalzik beim Lehrgang zum Kutschen-Führerschein. Fotos: Falk Heidel (Alpha-Report)

Ein gutes Kutschpferd muss Hätsch zufolge zuverlässig sein und eine gewisse Gelassenheit ausstrahlen. Das wissen auch Dieter (66) und Gerhard (70) Michalzik aus Paplitz und Tucheim. Die Gebrüder sind seit mehr als 40 Jahren in der Reitsportbranche unterwegs und haben sich als Züchter einen Namen gemacht. Beide bezeichnen das Kutschenfahren als große Leidenschaft: „Wir spannen bis zu dreimal pro Woche an. Manchmal auch gemeinsam“, erzählt Gerhard Michalzik. In den vergangenen Jahrzehnten haben sie verschiedene Rassen gezüchtet. Aktuell sind es Schwarzwälder Füchse, eine alte Pferderasse, die insbesondere für die schwere Waldarbeit geeignet ist. Diese Kaltblutform steht auf der Roten Liste der gefährdeten einheimischen Nutztierrassen in Deutschland - erfreut sich aber als Freizeitpferd immer größerer Beliebtheit.

Als Freizeit und Kutschpferd hat sich Haflingerstute Mara schon oft bewährt. Gelassen trabt sie den Parcours ab, lässt sich von Florian Schulz in alle Richtungen lenken. Ausbilder Hätsch bezeichnet die Fahrt als „solide Runde“. Darauf lässt sich aufbauen - das erste Fahrsportturnier kann kommen. Nicht nur Winfried Hätsch meint: „Nachwuchs ist in unserer Sportart jederzeit willkommen.“

 

 

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