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Der Hofnarr und die zickigen Schwestern

Für euch berichtet Falk Heidel

 

Dezember ist Märchenzeit in Sachsen-Anhalt. Während das Theater Magdeburg („In einem tiefen, dunklen Wald“) und das TdA in Stendal („Der Zauberer von Oz“) auf moderne Inszenierungen setzen, pflegt das Genthiner Amateurtheater mit „Aschenbrödel“ das traditionelle Schauspiel.

 

„Ach, du liebe Zeit! Ach, du liebe Zeit!“ immer wieder wiederholt der Hofnarr diesen Satz, der seine ganze Nervosität ausdrückt. Schließlich ist der Prinz traurig - schon seit Jahren. Das muss sich ändern, findet Hofnarr Jodokus. Sein Darsteller Philipp Hahnke ist mindestens genau so nervös wie die Figur, die er mit Narrenkappe verkörpert: „Vor der Premiere hatte ich mächtig Bammel“, erzählt der 27-jährige Genthiner. Schließlich ist er der Opener des Stücks, also derjenige, den das Publikum zuerst zu Gesicht bekommt, inklusive langem Monolog.

Jam-Niklas Bäsler als Prinz Nimmerfroh mit Kater Prutze (Maximilian Tischmacher). Fotos: Falk Heidel/Alpha-Report
Jam-Niklas Bäsler als Prinz Nimmerfroh mit Kater Prutze (Maximilian Tischmacher). Fotos: Falk Heidel/Alpha-Report

„Dieses Lampenfieber gehört dazu. Wer das nicht spürt, hat auf der  Bühne nichts verloren“, sagt Frank Zelmanski und gesteht: „Obwohl ich seit vielen Jahren dabei bin, ist diese Nervosität noch nicht verflogen.“ Zelmanski spielt den greisen König und bildet mit Jürgen Wagner ein Regisseur-Gespann. Theaterleiter Wagner will in den kommenden Jahren kürzer treten, Zelmanski soll den Regie-Stuhl besetzen, den Jürgen Wagner vor sieben Jahren von Eckhard Neumann übernommen hatte. Wie das Leben so spielt: An einem Wochenende mit zwei Aufführungen war Zelmanski krank, also musste der alte Theaterfuchs Jürgen Wagner als König einspringen. Er war auch 1993 dabei, als das Theater Aschenbrödel schon einmal aufgeführt hatte: „Damals war ich Kater Prutze.“

Mit 19 Laiendarstellern haben die beiden Regisseure aktuell die Aschenbrödel-Vorlage auf die Bühne gebracht - eine gute Mischung aus gestandenen Schauspielern um Jan-Niklas Bäsler als Prinz Nimmerfroh, Aschenbrödel Alicia Haack oder Kathleen Lemke als Adelgunde von Dünkelberg. Mit Erik Anders und Amelie Heidel stehen zwei Akteure zum ersten Mal auf der Märchen-Bühne. Herrlich garstig verkörpert Cornelia Bessert eine Frau Jutte, die als reiche Wittwe das arme Aschenbrödel von früh bis spät drangsaliert. Obwohl noch jung an Jahren, überzeugt Hofmarschall Jan Jeschinski mit Stimme und routiniertem Spiel. Jederzeit verlassen können sich die Regisseure auf die Nebenrollen-Darsteller Mia-Darline Wirth, Renate Kopf, Erik Anders und Tino Könnicke. In die Kategorie Talente mit Zukunft lassen sich Maximilian Tischmacher als Kater Prutze und Kreko-Hahn Julia Unglaub einsortieren. Jürgen Wagner sagt: „Da ist Potenzial vorhanden.“ Das gilt auch für Alexandra Koschnick und Alma Kahl, die als zickiges Schwestern-Paar im Dauerzank perfekt harmonieren. Alexandra Koschnick gehört seit 2016 zum Theater-Ensemble. „Es war einmal…“, war ihre erste Bühnenerfahrung. Die zickige Jorinde ist erst die zweite weibliche Rolle der Verwaltungsfachangestellten in Ausbildung. Liegt daran, das es unter den Darstellern traditionell einen weiblichen Überschuss gibt. Und wenn Alexandra nicht Theater spielt, ist sie in der Region als Elbe-Pareyer Elbauenkönigen unterwegs.

Hofnarr Philipp Hahnke (von links), Lakai Erik Anders und Jan Jeschinski als Hofmarschall.
Hofnarr Philipp Hahnke (von links), Lakai Erik Anders und Jan Jeschinski als Hofmarschall.

Aufblitzendes Talent steckt auch in den von Doreen Jeschinski entworfenen, wunderschönen Kostümen der vier kleinen Tauben Amelie Heidel, Nina Pintzke, Jara Bessert und Hayma-Helene Könnicke. 

Zu den Vorzügen des Amateurtheaters zählt das sympathisch Unperfekte. Wer nicht über das Equipment und die Professionalität der großen Theaterhäuser verfügt, muss improvisieren können. Und das beherrschen die Genthiner meisterhaft. Zum Ensemble hinter dem Vorhang gehören die Techniker Sebastian und Robert Franz, Frank-Jürgen Herholdt, Souffleuse Rita Wagner, Inspizientin Sophie Nedwidek und Mandy Tischmacher, die für die Maske zuständig ist. Im Gegensatz zu den großen Bühnen in Magdeburg und Stendal trafen sich die Genthiner seit September viermal die Woche abends zu den Proben in viel zu kleinen Räumen. Das Theater, kurz gat, zeigt das Märchen insgesamt achtmal in kleinen Spielstätten in Jerichow, Tucheim, Möckern, Kade sowie Heiligabend und am 6. Januar in der Aula der Genthiner Uhlandschule.

 

Genthiner Theater-Impressionen

Das Alpha-Report-Aschenbrödel-Video

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