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Warum der Weihnachtsstollen gestreichelt wird

Für euch berichtet Falk Heidel

 

Es gibt nur noch wenige Handwerksbäcker in Mitteldeutschland. Gegen diesen traurigen Trend feierte in Schermen (Jerichower Land) die Landbäckerei Müller ihr 100-jähriges Bestehen. Eine Spurensuche nach den Erfolgsrezepten einer uralten Familiengeschichte.

Vorfreude ist die schönste: Martina Sander steht im Laden und bestellt sich ihren Kuchen für die Kaffeepause am Freitag. Verkäuferin Regina Schröder packt Butterstreusel und Zuckerkuchen in eine Tüte. „Und bitte noch einen Butterstollen“, sagt die junge Frau aus Möser, die mindestens einmal pro Woche in Schermen ihre frischen Backwaren einkauft. Den Stollen hat Ina Sacher gerade erst gebacken. Als Konditormeisterin ist sie für die Kuchensparte in der Backstube zuständig: „Wir haben ein Grundangebot von 25 Kuchensorten jederzeit im Angebot“, erzählt Ina Sacher - die Tochter von Chefin Susanne Henschel und Ehemann Hardy. Der berühmte Weihnachtsstollen gehört zu ihren Spezialitäten. Sie sagt: „Es sind sechs Arbeitsschritte, bis unser Stollen fertig ist.“ Dazu gehört die Teigmischung herstellen, abwiegen, rundstoßen, falten und legen. Ehe der Stollen 60 Minuten bei etwa 200 Grad gebacken wird, darf sich der Teig noch eine halbe Stunde ausruhen. Zum Schluss wird er noch gebuttert, gezuckert und gepudert. Warum jeder einzelne Stollen gestreichelt werden muss, erklärt Ina Sacher so: „Nach dem Backvorgang sind die Rosinen an der Oberfläche dunkel geröstet und werden deshalb vorsichtig abgestreichelt.“

Bäckermeister Hardy Henschel zieht die frischen Brote aus dem Ofen.
Bäckermeister Hardy Henschel zieht die frischen Brote aus dem Ofen.

Der Familienbetrieb von Susanne und Hardy Henschel feiert 100-jähriges Jubiläum. Bemerkenswert: Mit Tochter Ina verarbeiten gleich drei Handwerksmeister solche Zutaten wie Mehl, Zucker, Hefe, Butter und Salz zu duftenden Köstlichkeiten in unzähligen Varianten. Bis zu 2000 Brötchen gehen sonnabends über die Ladentheke. Genau genommen sind es zwei Theken, denn Mitarbeiterin Karola Grether ist täglich mit dem Verkaufswagen in den Ortschaften zwischen Biederitz und Burg unterwegs.

Namensgeber der Landbäckerei ist Gründer Alwin Müller. Mit seiner Frau Selma hat er im November 1923 das Anwesen übernommen, anfangs als Pächter. „Wir haben leider keine Informationen, wer die kleine Backstube zuvor betrieben hat“, erzählt Susanne Henschel. Während es heute nur noch wenige Handwerksbäckereien im Jerichower Land gibt, waren es seinerzeit in jedem Dorf mehrere Backstuben. Alwin Müller war damals einer von vier Bäckern in Schermen, allesamt im Zweiterwerb. Sie hatten noch einen Kolonialwarenladen, waren Kohlehändler oder wie Alwin Müller ein Landwirt. Er hat seinen kleinen Betrieb durch den Krieg gebracht und sich mit der Gründung der DDR arrangiert. 1937 hat Müller das Haus umgebaut. Entstanden ist dabei der kleine Laden mit dem einladenden Schaufenster - nur einen Flur von der Backstube entfernt. 38 Jahre lang haben Alwin und Selma Müller ihr Geschäft betrieben, ehe Sohn Joachim den Betrieb mit seiner Frau Marta 1961 übernommen hat. Die Landbäckerei hat das Ende der DDR überstanden und war nach der Wende ganz neuen Herausforderungen ausgesetzt. Mit den großen Supermärkten und Tankstellen in den 90er Jahren kam das billige und meist minderwertige Backwerk ins Land - mit dem Resultat, dass in den Jahren danach unzählige kleine Handwerksbäcker aufgegeben haben. Anders der Betrieb in Schermen: Bäckermeister Joachim Müller übergibt das Geschäft 1992 an seine jüngste Tochter Susanne.

Susanne Henschel und Tochter Ina Sacher hinter dem Tresen.Fotos: Falk Heidel/Alpha-Report
Susanne Henschel und Tochter Ina Sacher hinter dem Tresen.Fotos: Falk Heidel/Alpha-Report

Fünf Jahre zuvor hat sie ihren Meisterbrief erhalten. Bäckermeister ist auch ihr Mann Hardy Henschel. Passend zum Thema: Kennengelernt hat sich das Paar 1984 bei einer Feier der Bäcker-Innung. Damals arbeitete Henschel in der Lostauer Bäckerei Fensky. Gelernt hat er seinen Beruf einst bei Bäckermeister Ducho in Burg.

Susanne und Hardy Henschel backen gemäß Handwerkstradition, zum Teil nach alten Familienrezepten. „Wir arbeiten grundsätzlich ohne Zusatz- oder Konservierungsstoffe und greifen am liebsten auf lokale Zutaten zurück“, erklärt die Chefin. Beispiel ist das Mehl aus der Zenker-Mühle in Gütter. Was ihre Arbeit von der ihrer Vorgänger unterscheidet ist die enorme Vielfalt nicht nur bei Brot und Brötchen. Im Laden hilft Regina Schröder (die ältere Schwester von Susanne Henschel) nach wie vor aus. Zum Team gehört auch Katja Schneider - offiziell als Backstuben-Hilfe, in Wirklichkeit der gute Geist zwischen Mehlsäcken, Brotregalen und dem Kuchentisch. Hier verpackt Ina Sacher kleine Stollenspitzen per Hand in durchsichtige Tüten. Aufkleber drauf und fertig ist die süße Versuchung zur Kaffeepause. Außer den Stollen, Dominosteinen oder zehn Sorten Plätzchen gehört der Honigkuchen zum Wintersortiment des Familienbetriebs. Dafür verwendet Ina Sacher den Honig von Imkerin Kerstin Kampa aus Pietzpuhl. Ihr Meisterstück hat die Konditorin 2012 gebacken. Das Thema der umfangreichen Tortenkreation in mehreren Etagen lautete „Sinfonie der Sinne“.

 

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