Aus Schermen berichtet Falk Heidel
Wenn Uwe Fischer das Tor zur großen Trödelscheune öffnet, fühlt sich der Besucher wie Alice im Wunderland. Unter den ehrwürdigen Holzbalken der Dachkonstruktion verteilen sich dutzende Regale mit tausenden Exponaten, genauer 50.000 Gegenstände, die allesamt ein erstes Leben hinter sich haben und jetzt geduldig auf ein zweites Zuhause warten. In eine Ecke hat Uwe Fischer alte Lampen sortiert: Mit Schirm, mit Ständer, mit Hängeketten oder Gelenkstange. Jedes Teil hat seine ganz eigene Faszination. Uwe Fischer sagt: „Häufig suchen die Leute hier ganz gezielt nach solchen Stücken.“ Ähnlich verhält es sich mit den alten Bildern an der Wand, manche mit goldenem Rahmen, andere mit Holzeinfassung aus Serienproduktion. Fischer zeigt auf ein Exemplar oben in der Nähe eines Dachbalkens: „Im Angebot sind auch handgefertigte Gemälde.“
Dennoch legt Fischer wert auf die Feststellung, dass er kein Antiquitäten-Händler ist: „Ich fertige auch keine Wertgutachten an. Ich handele lediglich mit Trödel.“ Die Liebe zu diesem Hobby hat er Anfang der 90er Jahre entdeckt: „Zwischen 1992 und 2006 bin ich mit einem Flohmarktstand zum Pferdemarkt nach Havelberg gefahren.“ Doch mit den Jahren ging für ihn der Reiz am fliegenden Handel verloren. Mit dem Umzug seiner Familie von Burg nach Schermen erfüllte sich Uwe Fischer in der Scheune des Gehöfts an der Talstraße seinen Traum vom stationären Gewerbe. Trotz aller Professionalität bei der Präsentation seiner Waren bleibt das Geschäft für den Beschäftigten im öffentlichen Dienst nur ein Hobby.
Manchmal füllt er seinen Bestand durch Haushaltsauflösungen auf, viel öfter bringen ihn die Leute kistenweise Kram vorbei. Für jedes Stück muss Fischer dann die Frage beantworten: Ist das Kunst oder kann das weg? Über die Jahre hat er sich feste Maßstäbe bei der Bewertung gesetzt: Alles was nicht einwandfrei funktioniert fliegt in den Müll. Anders verhält es sich bei dutzenden alten Spielkisten mit Halma- oder Mensch-ärgere-dich-nicht-Brettchen; nur vollzählige Kisten mit allen Hütchen und Würfeln gehen in den Verkauf: Wenn etwas nicht vollständig ist, gibt es eine entsprächende Erklärung dazu.
Feste Preise gibt es in der Regel nur für die hochwertigen Stücke in seinen Regalen. Meist gibt Fischer auf Nachfrage einen Preis vor: „Natürlich lasse ich auch mit mir handeln.“ Und die Auswahl ist riesig: Kleidung, Schuhe, Porzellan, Dekoration in tausend Varianten, Blumenvasen, Werkzeuge, Uhren, und, und und. Ein riesiges Sammelgebiet sind die Überraschungs-Ei-Figuren zwischen Happy Hippos und Schlümpfen. Hersteller Ferrero vertreibt die niedlichen Spielzeuge in Deutschland seit 1974. Seit dem sind die bunten Fantasietierchen bei Sammlern sehr beliebt. Nach dem riesen Erfolg der Schlumpf-Serie in den frühen 80er Jahren folgten eigens für die Ü-Eier kreierte Serien wie Crazy Crocos oder Funny Fanten, aber auch Serien zu erfolgreichen Filmen (Simpsons oder Herr der Ringe). Ab den 90er Jahren brach der Boom dann komplett aus - jeder hat gesammelt, was das Zeug hält. Der Nachtwächter-Schlumpf ist die seltenste und auch teuerste Überraschungsei-Figur, die es jemals gab. Sagenhafte 12.000 Euro kostet der begehrte Sammlerschatz. Ein so teures Stück hat Uwe Fischer nicht hinterm Tresen seiner Trödelscheune. Überhaupt ist der Trend aus seiner Sicht massiv abgeebbt: „Das Interesse daran ist deutlich zurückgegangen.“ Deshalb hat er bereits einen Großteil der Massenware entsorgt. Trotzdem sind noch genug vorhanden.
Überhaupt ist so ein Trödelmarkt ein Spiegelbild der Sammelleidenschaften aus vergangenen Tagen. Das trifft auf Bierkrüge und -gläser ebenso zu wie auf Nippesfiguren oder Puppen. Immerhin gehören einige Puppen zu den ältesten Sammlerstücken in der Schermener Scheune.
Ein ganz anderes Kaliber ist das wertvollste Stück, dass Uwe Fischer in seinen Trödeljahren gehandelt hat: „Das war eine gusseiserne Wendeltreppe.“ Manchmal passieren auch verrückte Dinge, wie ein Verkäufer, der Uwe Fischer seine Steintöpfe überlassen hatte. „Der Mann bekam danach gehörigen Ärger mit seiner besseren Hälfte und musste seine Ware bei mir wieder zurückkaufen.“
Kaufen und Verkaufen sind jedoch nicht alle Argumente für Fischers Trödelhobby: „Grundsätzlich bin ich ein geselliger Mensch. Manch einer hat beim Handeln seine komplette Lebensgeschichte hiergelassen.“ Auch das gehört dazu: „Ich habe eine ganze Reihe Stammkunden, die regelmäßig nach Schermen kommen.“ Und die können sich demnächst auf eine noch größere Ausstellungsfläche unter den Dachbalken freuen - Fischer bereitet einen zusätzlichen Raum für künftige Trödel-Präsentationen vor. Ganz allein ist er nicht in seinem Trödelalltag. Tochter Isabell (33) hat den kreativen Part inne. Ihr Hobby ist es, einigen alten Stücken neues Leben einzuhauchen. Unter ihren geschickten Händen sind etliche Unikate entstanden - gebrauchte Lampen haben neue Schirme bekommen, aus alten Radios entstanden innovative Zimmerleuchten.
Für manche Leute ist Trödel alter Kram - für Uwe Fischer ist Trödel eine Lebensart.
Der Unterschied zwischen Trödel und Antiquität
Der Begriff "antik" bedeutet nichts anderes als "alt". Antiquitäten dagegen sind sammelwürdige Objekte vergangener Zeiten, praktisch nutzbare Gegenstände, die einer bestimmten Epoche zugeordnet werden können und ästhetischen Ansprüchen genügen. Ein Möbelstück gilt als antik, wenn es mindestens 100 Jahre alt ist. Gehandelt werden alte Liebhaberstücke auf Flohmärkten, wo ein privater Händler seine Waren an private Kunden verkauft. Seinen Namen verdankt der Flohmarkt der Vorstellung, dass in den angebotenen Textilien auch Flöhe sitzen. Beim Trödel handelt es sich hingegen in der Regel um nutzlose Waren von geringem Wert.
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