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Anja Müllers Dressur-Stationen in Amerika und Japan

Aus Wanzleben berichtet Falk Heidel

 

Hinter dem Kastanienbaum wälzt sich ein Rappe im warmen Sand des sonnigen Nachmittags. Im Paddock trabt eine Stute ganz gemächlich an den Koppelzaun: „Das ist Bondavia“, sagt Anja Müller. Sie hatte das Tier vor einigen Jahren in sehr schlechtem Zustand übernommen. Jetzt ist die siebenjährige Staatsprämienstute die Zukunft der 44-jährigen Dressurreiterin aus Wanzleben. Anja Müllers sportliche Gegenwart heißt Deja Vous und ist ein 17-jähriger Brauner: „Wir hatten für diese Saison große Pläne, wollten im S-Bereich mit ihm ein letztes Mal angreifen - doch Corona hat alle möglichen Platzierungen verhindert.“ Anja Müller und ihr Wallach haben in den vergangenen Jahren jede Menge Erlebnisse eingesammelt, Prüfungen bis hin zur M-Klasse gewonnen, dutzende Schleifen erkämpft. Sie sagt über ihren Partner-Pferd: „Er ist sehr eigensinnig und nicht der trainingsfleißigste, aber auch geduldig und sehr gelehrig.“

Auf dem Müller-Reiterhof am Stadtrand von Wanzleben hatte sie ihren Schimmel einst gezogen, ausgebildet und als junges Pferd an die ersten Wettkämpfe herangeführt. Erster großer Erfolg war der Epona-Cup für Jungpferde 2002 in Neustadt/Dosse. Die Faszination Dressurreiten beschreibt Anja Müller so: „Es geht darum, Mensch und Tier auf möglichst hohem Niveau in Einklang zu bringen.“

Als achtjähriges Mädel saß sie zum ersten Mal auf einem Sportpferd, zwei Jahre später folgte der erste Wettkampf.  Kurz darauf gab es einen Bruch in der Sportbiografie. Sie war vom Pferd gefallen und erlitt einen Schlüsselbeinbruch: „Danach hatte ich Angst, wollte vom Training nichts mehr wissen.“


Anja Müller konzentriert sich auf die nächste Lektion.
Anja Müller konzentriert sich auf die nächste Lektion.

Mit viel Geduld hat sie ihre Mutter Annette wieder ganz behutsam an den Reitsport herangeführt. Zu dieser Zeit führten Annette und Gerhard Müller den familiären Reiterhof auf einer ehemaligen LPG-Anlage. Annette Müller gehörte zu den erfolgreichsten Trainern der Region, bildete ihre Schützlinge in Dressur und Springreiten aus. Zudem baute sie eine Voltigiergruppe auf, die im Bezirksmaßstab sehr erfolgreich war. Dagegen kam Gerhard erst zum Reitsport, als er seine Annette kennenlernte. Doch der Bauingenieur lernte schnell, wurde in seiner Laufbahn mehrfach Kreismeister im Springreiten und bildete ebenfalls junge Reitsportler aus. Erst kürzlich bekam er die Goldene Peitsche des Landesverbandes verliehen.

2016 übernehmen die Töchter Anja und Kathrin (42) den Hof mit aktuell 50 Pferden in den Ställen von ihren Eltern. Anja Müller sagt: „Wir harmonieren sehr gut, haben die Zuständigkeiten verteilt.“ Kathrin kümmert sich um Technik und Management, sie ist auch Leiterin des jährlichen Vereinsturniers. Anjas Verantwortung ist der ganze Pferdekram.“ Kathrin ist wie ihre Mutter häufig als Wertungsrichterin auf Turnieren im Einsatz.

Beide Schwestern haben nacheinander eine Pferdewirt-Ausbildung in Münster absolviert. Anja hat danach zwei Jahre ihren Beruf in Kalifornien ausgeübt, anschließend noch ein Jahr in Japan: „Irgendwann stand ich vor der Entscheidung Amerika oder Heimat, habe mich für letztere Variante entschieden“, erzählt die dreifache Mutter. Mittlerweile ist sie eine Pferdewirtschafts-Meisterin, die gemeinsam mit ihrer Schwester einen Hof betreibt, der von der Ausbildung junger Reiter, von Pension und Beritt-Aufträgen lebt. Zudem betreibt die Familie die Zucht von Deutschen Sportpferden und Deutschen Reitponys. 

Manchmal sind auf dem Paddock unterm Kastanienbaum außer den Rappen (die Spezialität von Gerhard Müller) auch Friesen und Kaltblüter zu finden. „Wir sind auch bei der Zucht sehr kreativ“, erzählt Kathrin Müller. Zu ihren Lieblingstieren zählt ein Hengst namens Heino. Das ist der Spitzname von Ginger, ein elfjähriges Blue-Eyed-Reitpony in Cremello-Optik - also kein Schimmel, sondern ein cremefarbener Hengst.

Egal wie die Dressur-Saison endet, mit Bondavia will Anja Müller ihre Dressur-Karriere fortsetzen. Bis die Stute ähnlich erfolgreich werden kann wie ihr Vorgänger, wird wohl noch einige Zeit vergehen: „Sie ist noch ein wenig ängstlich. Wir werden sie langsam an Turniere heranführen.“ Gern würde Anja Müller an die tollen Erlebnisse aus vergangenen Jahren anknüpfen. Zum Beispiel an Askania 2018 in Aschersleben: „Da haben wir uns in der S*-Prüfung wacker geschlagen.“ Zu ihren Lieblingsturnieren zählt Anja Müller Wörmlitz und Königsborn im Jerichower Land: „Hier herrscht eine tolle Atmosphäre auf hohem sportlichen Niveau.“ 

Einige junge Reiter profitieren von der Ausbildung der Müller-Schwestern. Zu ihnen gehört Dorothee Kühne (15). Sie gehört zur Landesspitze im Vierkampf aus Dressur, Springreiten, Laufen und Schwimmen. „Sie ist sehr talentiert, hat auch schon an Wettkämpfe im Bundesmaßstab teilgenommen“, erklärt Anja Müller.

 


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