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Kleinunternehmer in Existenznot: Wann kommt die Corona-Soforthilfe?

Für euch berichtet Falk Heidel

 

Der Coronavirus trifft Selbstständige und kleine Unternehmen hart: 77 Prozent sehen laut einer Umfrage von Jimdo eine Existenzgefahr für ihre Firma. Von einer Bazooka hat  Finanzminister Olaf Scholz gesprochen, als er Mitte März zusammen mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier mit dem Verkünden von "schneller, unbürokratischer Soforthilfe" beeilte. 

Was ist aus den Versprechen geworden? Wo bleibt die Soforthilfe?

Eine (nicht repräsentative) Umfrage des Alpha-Reports ergab, vier Wochen später ist in Sachsen-Anhalt kaum Soforthilfe geflossen. Konkret: 27 Unternehmer haben auf unsere Facebook-Umfrage geantwortet - nur einer hat bereits eine Überweisung bekommen. Das sind traurige 3,7 Prozent. Ernüchternd!

 

Einige Reaktionen:

Ilka Stütz-Winter: In Sachsen-Anhalt kenne ich niemanden - in Berlin/ Brandenburg gab es bereits Auszahlungen.

Marion Paeper:  Wir haben für unsere Gaststätte die Soforthilfe beantragt, leider gab es auch für uns noch keine Unterstützung. In Köln gab es das Geld nach der Beantragung innerhalb weniger Tage.

Peter Förste kritisiert das Prozedere über die Investionsbank: "Warum können die Finanzämter diesen Job nicht erledigen, die haben alle unsere Daten, Steuernummern, Bankverbindungen und wissen ganz genau, ob ein Betrieb existiert oder nicht. Das wäre doch ein Einfaches für das Finanzamt, den Unternehmen das Geld zu überweisen. Mit Sicherheit wäre dann auch der Missbrauch durch Scheinfirmen weitestgehend ausgeschlossen." 

Laut Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Armin Willingmann (Foto) sind bei der Investitionsbank bisher 36.000 Anträge auf Soforthilfe von Unternehmen bis 50 Mitarbeitern eingegangen: "Davon sind 6700 bereits bewilligt", sagte er gestern bei einer Pressekonferenz in Magdeburg. Bewilligt seien durchschnittlich 9400 Euro pro Antrag: "Das entspricht etwa 63 Millionen Euro." Willigmann zufolge seien 1700 Anträge zurückgesandt worden, weil wichtige Angaben gefehlt hätte, etwa die Unterschrift oder die Angaben zum Begünstigten.

Laut seinen Angaben beschäftigen sich 200 Mitarbeiter der Investitionsbank mit den Anträgen: "40 weitere Sachbearbeiter werden in der nächsten Woche hinzukommen." In drei Wochen sollen alle Anträge abgearbeitet sein. Um das System nicht zu überlasten, hätte die Bank zunächst darauf verzichtet, automatische Eingangsbestätigungen zu versenden: "Doch mittlerweile müssten alle Antragsteller eine solche Bestätigung erhalten haben." 


So kämpfen unsere kleine Firmen durch die Krise

„Ich denke lösungsorientiert“, sagt Ralf Pfeiffer (Foto). Seit etlichen Jahren tourt der Tucheimer mit fliegenden Imbissbuden durch das Jerichower Land, unter anderem am Burger Conrad-Tack-Ring. Einst hatte er sich als Fisch-Pfeiffer einen Namen gemacht. Aktuell steht er hinter dem Tresen eines mobilen Hähnchengrills. Statt über Corona zu lamentieren, ködert er seine Kundschaft mit pfiffigen Ideen. In Zeiten des Klopapier-Mangels orderte er etliche Packungen bei seinem Lieferanten und packte jedem Einkäufer eine Klopapier-Rolle in die Tasche. Kurz darauf gab es in Kooperation mit einer Apotheke ein Päckchen Vitamin-C plus Desinfektionstuch als Gratis-Zugabe. Pfeiffer nennt das Crossmarketing: „Mir ist wichtig, kreativ zu sein, optimistisch in die Zukunft zu blicken. Gejammert wird doch schon genug.“

„Ich bin auch sehr gern kreativ“, erklärt die Burger Frisörmeisterin Beatrice Georgiew. Sie hatte ihr Geschäft bereits vor der behördliche Anordnung geschlossen: „Ich bin seit mehr als elf Jahren Arbeitgeberin mit einer hohen Verantwortung gegenüber meinem Team, das mir sehr am Herzen liegt und mir immer wieder zeigt, dass es mit mir durch dick und dünn geht, auch in dieser schwierigen Situation.“

Ihren Steuerberater bezeichnet sie in Krisenzeiten als „meinen besten Freund. Mit ihm bin ich momentan sehr viel in Kontakt.“ Sie nutzt die Zeit der Schließung, um sich und ihre Mitarbeiter per Online-Seminare weiterzubilden. Dennoch ist die Situation finanziell prekär: „Nach acht Wochen geht mir meine Liquidität aus.“  Steuerstundungen oder Kredite sind aus ihrer Sicht keine wirkliche Hilfen: „Der verloren gegangene Umsatz kann ja nicht wieder nachgeholt werden.“ Ihr Vorschlag: „Ich wäre dafür, dass der Bund auf die Umsatzsteuer von Januar bis März verzichtet, damit wäre vielen Unternehmen schon geholfen.“

Sven Deinert vom gleichnamigen Landgasthof in Parchen betreibt ein Restaurant und ein hochwertiges Catering für Festveranstaltungen sowie Mittagsversorgung für Tagesstätten in Genthin und Burg. Wie bei allen Gastronomen sind seine Umsätze seit Anfang März eingebrochen. Er sagt: "Um meine Gäste auch in diesen Zeiten mit unserem Essen versorgen zu können, habe ich mir Gedanken gemacht und neue Ideen entwickelt." Zunächst hat Deinert eine WhatsApp-Gruppe ins Leben gerufen, über die er die Gerichte des Lieferservices kommuniziert. Um den Service zu optimieren, arbeitet er an einem Online-Shop, über den Interessierte ihre Bestellungen per Mausklick aufgeben und auch online bezahlen können (www.landgasthof-deinert.de). 

Zudem erweitert er gegen den Trend sein Angebot: "Ich stehe im Kontakt mit dem Bäcker meines Vertrauens, um die Menschen in unserem Dorf mit frischen Brötchen und Brot versorgen zu können. Außerdem werden Milch aus Klietznick und weitere Lebensmittel angeboten, die ich sowieso im Haus habe.“

Jürgen Werner ist beruflich auf zwei Gleisen unterwegs. Unter anderem als Disk Jockey. Er meint: "Mich betrifft derzeit nur die Partysperre." Mein Baugeschäft läuft so lange weiter, wie wir uns auf den Baumärkten mit Material versorgen können." Zu seinen DJ-Kunden zählt das ebenfalls Corona geschlossene Bowlingcenter in Genthin. Inhaberin Nicol Baumann: "Ohne Gäste kein Umsatz. Niemand weiß, wie lange die Krise anhalten wird. Wir hatten so viele Ideen für unserer Jubiläumsjahr. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt. Wenn es irgendwie machbar ist, wollen wir am 18. Juli unsere 2. Sommer-Open-Air-Party feiern. Wir werden die Zwangspause nutzen, um die Partylocation schon mal vorzubereiten."

 

Mit einer großen Portion Optimismus und reichlich Kreativität meistern die Vilando-Tänzer um Aileen Klingenberg die aktuellen Krisen-Wochen. Der Tanzclub betreibt zwei Studios in Magdeburg und Burg. Chefin Klingenbergs Philosophie: "Tanz ist die Poesie des Fußes." Aktuell geht es darum, trotz Kontaktsperre möglichst viele Füße in Bewegung zu bringen. Aileen Klingenberg: "Schwierige Zeiten erfordern kreative Lösungen! Damit wir unsere Vereinsarbeit aufrecht erhalten können, haben alle Tanzlehrer Lernvideos gedreht. Diese erhalten unsere Mitglieder über WhatsApp. Außerdem besteht die Möglichkeit, live mit uns zu tanzen: Bei Facebook, Instagram sowie ganz neu auf unserem Youtube Kanal namens Vilando Online."

Die Einschaltquoten sind enorm: Auf Facebook hat Vilando 800 Abonnenten - eines der Live-Videos ist 8600-mal aufgerufen worden.

Anja und Maik Sauer betreiben ein Fitness- und Gesundheitsstudio namens Shivanja. In Krisenzeiten ist das gesamte Team damit beschäftigt, die Mitglieder online zu erreichen. „Wir transportieren die Trainingsfläche aus dem Club in das Wohnzimmer“, erzählt Maik Sauer. „Wir erstellen verschiedene Trainingspläne für zu Hause, geben Ernährungsseminare online und leisten Nachbarschaftshilfe - Einkäufe, Apothekengänge oder Sonstiges. Auch unsere Rehasportler können online trainieren.“ Zudem ist das Studio jederzeit telefonisch, per E-Mail sowie auf den Social-Media-Kanälen erreichbar. Danach kümmern sich die Mitarbeiter um andere Dinge, dazu gehören Wartungs- und Reparaturarbeiten sowie Onlineschulungen. Sauer: „Wir tüfteln daran, Arbeitsprozesse sowie Strukturen zu optimieren.“ Natürlich ist die Krise auch finanziell ein Kraftakt. Anja Sauer zeigt sich sehr dankbar: „Der Großteil unserer Mitglieder ist bereit, die Beiträge für den Schließungszeitraum unter Vorbehalt weiter zu zahlen. Das hilft uns natürlich enorm.“

Eine Interessante Idee kommt aus Biederitz. Die Aktion "#Gutscheine helfen" soll privaten Dienstleistern über die Krise helfen, die wegen der Corona-Krise schließen mussten. Alle Unternehmer aus den Ortschaften der Gemeinde können sich kostenfrei und unkompliziert dem Portal anmelden. Interessierte können mit Gutscheinkäufen örtlichen Handel und Gastronomie stärken. Das Geld fließt in kürzester Zeit auf das Konto des jeweils ausgewählten Unternehmens. So entsteht Umsatz, also dringend benötigte Liquidität. Die Inhaber der Gutscheine können diese nach der Coronakrise dann vor Ort einlösen. Bürgermeister Kay Gericke sagt: "Ich hoffe, dass diese Aktion dazu beiträgt, dass gerade unsere vielen kleinen Unternehmen in dieser schwierigen Situation schnellstmöglich Hilfe bekommen, um die Zeit zu überbrücken, in der sie keine Einnahmen erzielen können."

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