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Alpha-Reportage: Wie sich Kleinunternehmer mit Fleiß und Ideen gegen die Corona-Krise stemmen

Für euch berichtet Falk Heidel

 

Der Coronavirus trifft Selbstständige und kleine Unternehmen hart: 65 Prozent sehen laut einer Umfrage von Jimdo eine Existenzgefahr für ihr Unternehmen. Aber jammern nützt nix - Kreativität ist gefragt. Wir zeigen euch einige Beispiele von Unternehmern, die sich der Krise mit Fleiß und Innovation entgegenstemmen.

 

Einen Döner bitte! Komplett. Ich bin der einzige Kunde im türkischen Imbiss: "Wir bringen Ihnen das Essen auch gern zum Parkplatz ans Auto", meint der Chef. Er sitzt allein an einem Tisch, nippt an seiner Teetasse und macht mir klar - meinen Döner darf ich hier drinnen nicht essen. Okay, kein Problem: "Verkauft ihr jetzt nur noch halb so viele Portionen?", will ich wissen. "Es sind weniger", sagt er und winkt mit der rechten Hand ab. "Viel weniger." Seine vier jungen Burschen hinter dem Tresen wirken gelangweilt. Vor Corona haben sie in der Mittagszeit 100 Leute abgefertigt.  Immerhin bietet der Dönermann in der Krise einen Lieferservice an: Allerdings mit Mindestbestellwert 25 Euro außerhalb der Stadt. 

Da sind andere Gastronomen schon ein ganzes Stück weiter. Zum Beispiel ein Gasthof:

Sven Deinert vom gleichnamigen Landgasthof in Parchen betreibt ein Restaurant und ein hochwertiges Catering für Festveranstaltungen sowie Mittagsversorgung für Tagesstätten. Wie bei allen Gastronomen sind seine Umsätze Anfang des Monats eingebrochen. Er sagt: "Um meinen Gästen auch in diesen Zeiten mit unserem Essen versorgen zu können, habe ich mir Gedanken gemacht und neue Ideen entwickelt, die sich aktuell in der Umsetzung befinden." Zunächst hat Deinert eine WhatsApp-Gruppe ins Leben gerufen, über die er die Gerichte des Lieferservices kommuniziert. Um den Service zu optimieren, arbeitet er an einem Online-Shop, über den Interessierte ihre Bestellungen per Mausklick aufgeben und auch online bezahlen können (www.landgasthof-deinert.de). 

Zudem erweitert er gegen den Trend sein Angebot: "Ich stehe im Kontakt mit dem Bäcker meines Vertrauens, um die Menschen in unserem Dorf demnächst mit frischen Brötchen und Brot versorgen zu können. Außerdem werden Milch aus Klietznick und weitere Lebensmittel angeboten, die ich sowieso im Haus habe."

 

Die Shivanja-Crew auf einer Aufnahme vom Dezember 2019 - nicht ganz komplett, fünf Leute fehlen.
Die Shivanja-Crew auf einer Aufnahme vom Dezember 2019 - nicht ganz komplett, fünf Leute fehlen.

Anja und Maik Sauer betreiben ein Fitness- und Gesundheitsstudio namens Shivanja. Im Gespräch mit dem Alpha-Report haben sie unsere Fragen so beantwortet:

 

Wie sieht euer Tagesablauf aus, ist jetzt Zeit, Liegengebliebenes zu erledigen?

Momentan ist das gesamte Shivanja-Team damit beschäftigt, soviel wie möglich für unsere Mitglieder zu tun. Wir transportieren die Trainingsfläche aus dem Club in das Wohnzimmer. Wir haben es geschafft, ihnen einen Zugang zu einer Onlinekurs-Plattform zu bieten, erstellen verschiedene Trainingspläne für zu Hause, geben Ernährungsseminare online und leisten Nachbarschaftshilfe - Einkäufe, Apothekengänge oder Sonstiges. Für unsere Rehasportler besteht ebenfalls die Möglichkeit, online zu trainieren. Wir sind jederzeit telefonisch, per E-Mail sowie auf unseren Social-Media-Kanälen erreichbar. Diese Maßnahmen stehen an erster Stelle. Danach kommen natürlich auch andere Dinge, wie das Durchführen von Wartungs- und Reparaturarbeiten, das Team mit einem Onlinecoach schulen und dabei Arbeitsprozesse sowie Strukturen optimieren. Die Physiotherapie hat weiterhin geöffnet.

 

Ist euer Unternehmen von der Pleite bedroht?

Aktuell ist es so, dass wir sehr viel Unterstützung von unseren Mitgliedern erhalten. Der Großteil ist bereit, die Mitgliedsbeiträge für den Schließungszeitraum unter Vorbehalt weiter zu zahlen. Das hilft uns natürlich enorm.  Dafür möchten wir uns an dieser Stelle nochmal vielmals bedanken. Selbstverständlich werden wir uns nach der Krise revanchieren, um für die ausgefallene Trainingszeit einen Ausgleich zu bieten – es soll eine faire Lösung geben. Die monatlichen Fixkosten für Personal, Miete, Nebenkosten, Kapitaldienst, Versicherung und so weiter sind sehr hoch. Auf Dauer können wir diesen Kosten nicht standhalten und sind somit auch schnell von einer Pleite bedroht, sollte sich die Schließung auf mehrere Monate verlängern.

 

Wie lange könnt ihr die Schließung durchhalten?

Das kommt darauf an. Durch die Schließung brechen viele Umsätze weg, die Kosten aber bleiben. Wie die staatlichen Hilfen ausfallen werden, ist noch nicht ganz klar. Bisher sind es Versprechungen. Wir kämpfen uns von Monat zu Monat, aber irgendwann wäre Schluss.

 

Welche Art von Unterstützung von Land und Bund ist aus eurer Sicht dringend nötig?

Eine schnelle, unbürokratische Hilfe ist nötig in Form von Zuschüssen und Geldern, die nicht durch eine Neuverschuldung zurückzuzahlen sind. Wir haben nichts davon, uns neu zu verschulden durch die Inanspruchnahme von Krediten. Damit verschieben wir das Problem nur.

 

Könnt ihr euch vorstellen, jetzt auch Aufträge in artfremden Bereichen abzuarbeiten, zum Beispiel in der Landwirtschaft?

Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Ich möchte für meine Mitarbeiter und meine Mitglieder da sein. Gerade unsere Mitglieder haben uns durch die Weiterzahlung der Beiträge einen großen Vertrauensvorschuss gegeben. Den möchten wir nicht verspielen. Da wir unsere Dienstleistung ins Onlinegeschäft verlagern, fällt genügend Arbeit an.

 

Welche konkreten Forderungen habt ihr an unsere Landes- und Bundespolitik?

Es soll eine schnelle und unbürokratische Hilfe in Form von Zuschüssen und Geldern geben, die nicht zurückgezahlt werden müssen. Zudem sollten die Geschäfte ab 20. April wieder öffnen dürfen. Denn alle Unternehmer sind von der Krise betroffen, müssen kämpfen und versuchen zu überleben!

 


Eine Vilando-Tanzgruppe beim Musical Teezeit im Wunderland. Foto: Alpha-Report
Eine Vilando-Tanzgruppe beim Musical Teezeit im Wunderland. Foto: Alpha-Report

Jürgen Werner ist beruflich auf zwei Gleisen unterwegs. Unter anderem als Disk Jockey. Er meint: "Mich betrifft derzeit nur die Partysperre." Mein Baugeschäft läuft so lange weiter, wie wir uns auf den Baumärkten mit Material versorgen können." Zu seinen DJ-Kunden zählt das ebenfalls Corona geschlossene Bowlingcenter in Genthin. Inhaberin Nicol Baumann: "Ohne Gäste kein Umsatz. Niemand weiß, wie lange die Krise anhalten wird. Wir hatten so viele Ideen für unserer Jubiläumsjahr... Doch die Hoffnung stirbt zuletztWenn es irgendwie machbar ist, wollen wir am 18. Juli unsere 2. Sommer-Open-Air-Party feiern. Wir werden die Zwangspause nutzen, um die Partylocation schon mal vorzubereiten."

 

Mit einer großen Portion Optimismus und reichlich Kreativität meistern die Vilando-Tänzer um Aileen Klingenberg die aktuellen Krisen-Wochen. Der Tanzclub betreibt zwei Studios in Magdeburg und Burg. Chefin Klingenbergs Philosophie: "Tanz ist die Poesie des Fußes." Aktuell geht es darum, trotz Kontaktsperre möglichst viele Füße in Bewegung zu bringen. Aileen Klingenberg: "Schwierige Zeiten erfordern kreative Lösungen! Damit wir unsere Vereinsarbeit aufrecht erhalten können, haben alle Tanzlehrer Lernvideos gedreht. Diese erhalten unsere Mitglieder über WhatsApp. Außerdem besteht die Möglichkeit, live mit uns zu tanzen: Bei Facebook, Instagram sowie ganz neu auf unserem Youtube Kanal Vilando Online."

Die Einschaltquoten sind enorm: Auf Facebook hat Vilando 800 Abonnenten - eines der Live-Videos ist 7600-mal aufgerufen worden.

Eine Interessante Idee kommt aus Biederitz. Die Aktion "#Gutscheine helfen" soll privaten Dienstleistern über die Krise helfen, die wegen der Corona-Krise schließen mussten. Alle Unternehmer aus den Ortschaften der Gemeinde können sich kostenfrei und unkompliziert dem Portal anmelden. Interessierte können mit Gutscheinkäufen örtlichen Handel und Gastronomie stärken. Das Geld fließt in kürzester Zeit auf das Konto des jeweils ausgewählten Unternehmens. So entsteht Umsatz, also dringend benötigte Liquidität. Die Inhaber der Gutscheine können diese nach der Coronakrise dann vor Ort einlösen. Hier geht es zum Gutscheinportal. Bürgermeister Kay Gericke sagt: "Ich hoffe, dass diese Aktion dazu beiträgt, dass gerade unsere vielen kleinen Unternehmen in dieser schwierigen Situation schnellstmöglich Hilfe bekommen, um die Zeit zu überbrücken, in der sie keine Einnahmen erzielen können."

 

 


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