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Seepferdchen: Wie Elko Bernau unsere Kinder von Schwimmflügeln befreit

Aus Genthin berichtet Falk Heidel

 

„Gehe nie mit vollem oder leerem Magen ins Wasser!“ Elko Bernau sitzt am Beckenrand und erklärt einem Dutzend aufmerksam lauschenden Kindern die zehn Baderegeln. Für die Kleinen ist es ein besonderer Tag: Sie bekommen ihr Seepferdchen verliehen. Zuvor haben sie in der Genthiner Schwimmhalle einen 13-stündigen Kurs absolviert. Das Seepferdchen ist ein Frühschwimmer-Abzeichen. Dafür müssen die Kinder vom Beckenrand ins Wasser springen und 25 Meter schwimmen. Und zum Schluss einen Gegenstand mit den Händen aus schultertiefem Wasser holen. Lohn für die Kinder ist außer einem Zertifikat ein Seepferdchen-Aufnäher für die Badehose beziehungsweise Badeanzug. Für die Familie wird das Abzeichen zum Symbol für Tapferkeit – und manchmal zum Einstieg in eine Wassersport-Karriere, die über das Schwimmabzeichen Bronze als Nachweis für den sicheren Schwimmer bis zum Rettungsschwimmer-Abzeichen in Bronze, Silber oder Gold führen kann.

Auf der anderen Seite sieht die Schwimmerquote nicht so rosig aus. Deutschland ist ein Land der Nichtschwimmer. Laut einer Forsa-Umfrage sind 60 Prozent der Zehnjährigen keine sicheren Schwimmer oder sogar Nichtschwimmer. Elko Bernau: „In unserer Genthiner Region liegt die Quote bei 30 Prozent.“ Geübt hat er mit den Seepferdchen-Kindern im Wechsel mit Michael Pröhl. Jeweils sonnabends und sonntags um 8 Uhr: „Vor allem geht es darum, den Kleinen im Alter von fünf bis sechs Jahren die Scheu zu nehmen.“ Zum Rettungsschwimmer-Team der Genthiner Schwimmhalle gehört auch Antje Wöhling. 100 Kinder lernen hier in jedem Jahr in solchen Kursen die Schwimm-Grundlagen. „Einen großen Vorteil haben Kinder, die mit ihren Kitas zu den Wassergewöhnungs-Kursen kommen.“ Dennoch schaut sich Bernau die Kinder zunächst an, wie sie sich im Wasser verhalten. Danach entscheidet er, ob sie am Kurs teilnehmen dürfen: „Unabhängig vom Alter kommt es auf den Entwicklungsstand der Kinder an.“ Parallel zum städtischen Angebot veranstaltet auch die DLRG-Ortsgruppe um Andy Gamalski solche Seepferdchen-Grundkurse.

Kopfschmerzen bereitet Elko Bernau ein besorgniserregender Trend: Immer mehr Schwimmbäder werden aus Kostengründen geschlossen. Den Kommunen fehlt oft das Geld, um in die Jahre gekommene Bäder zu sanieren. Oft müssen sie fünf bis zehn Euro pro Besucher draufzahlen, um nur den laufenden Betrieb aufrechterhalten zu können. Eine Schließung erscheint da oft die einzige verbleibende Option. Für Genthin will Elko Bernau dies auf jeden Fall verhindern. Die hiesige Sport- und Schwimmhalle ist 40 Jahre alt – und hat sich in all den Jahren nicht verändert. Das ist einer von vielen Gründen, warum der Parchener kürzlich den Einzug in den Genthiner Stadtrat geschafft hat: „Mit einer Schließung der Schwimmhalle würde die Nichtschwimmer-Rate deutlich ansteigen. Und das kann niemand wollen.“ Alarmierend: Mehr als 500 Menschen sind 2018 in Deutschland ertrunken. Das ist der höchste Wert seit zehn Jahren. Elko Bernau ist seit 1979 Rettungsschwimmer. Seine Einsatz-Karriere begann seinerzeit im Freibad Güsen. Heute ist er für die DLRG unter anderem am Zabakucker See im Einsatz. Und dort beginnt bereits das nächste Problem. Die Genthiner DLRG-Ortsgruppe hat derzeit 16 Rettungsschwimmer - die sich bei den Diensten am See abwechseln: "Es mangelt an Rettungsschwimmer-Nachwuchs." Mit 180 Mitgliedern ist die DLRG der zweitgrößte Verein in Genthin.

 

 

Der Weg zum Rettungsschwimmer

Seepferdchen

  • Sprung vom Beckenrand und 25 m Schwimmen
  • Heraufholen eines Gegenstandes mit den Händen aus schultertiefem Wasser

 

Jugendschwimmpass

Bronze

  • Sprung vom Beckenrand und mindestens 200 m Schwimmen in höchstens 15 Minuten
  • Herausholen eines Gegenstandes aus ca. 2 m tiefem Wasser
  • Sprung aus 1 m Höhe
  • Kenntnis der Baderegeln

Silber

  •  Startsprung und mindestens 400 m Schwimmen in höchstens 25 Minuten (300 m Bauch- und 100 m Rückenlage)
  • Zweimal Heraufholen eines Gegenstandes aus 2 m tiefem Wasser
  • 10 m Streckentauchen
  • Sprung aus 3 m Höhe
  • Kenntnis der Baderegeln

 

Gold

 

  • 600 m Schwimmen in höchstens 24 Minuten
  • 50 m Brustschwimmen in höchstens 70 Sekunden
  • 25 m Kraulschwimmen
  • 50 m Rückenschwimmen
  • Tieftauchen (drei Tauchringe aus ca. 2 m tiefem Wasser in 3 Minuten)
  • 15 m Streckentauchen
  • Sprung aus 3 m Höhe
  • 50 m Transportschwimmen (Schieben und Ziehen)
  • Kenntnis der Baderegeln (Selbst- und einfache Fremdrettung)

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