Shakira, Pink, Madonna oder Kim Wilde: Dieter Kreitling hat sie alle. Der Genthiner steht als Diskjockey seit 40 Jahren auf den Partybühnen Mitteldeutschlands. Ein perfekter Anlass für eine große DJ-Party am 30. März im Genthiner Stadtkulturhaus. Kreitling (63) hat sich in der Region als DJ Dieter einen Namen gemacht. Seine Karriere ist nicht nur eine Zeitreise zwischen Abbas „Chiquitita“  und „Zusammen“ von Fanta 4, sondern eine technische Entwicklung von Tonband und Plattenspieler bis zu den digitalen Turntables. Seine erste Schallplatte von den Beach Boys bekommt er als Schüler: „Die hatte mir mein Onkel aus dem Westen geschickt.“Heute sagt er: „Ich hatte gute Zeiten und schlechte Zeiten.“ Doch für den Fan der Ostrock-Band Puhdys steht fest: „Meine Rockerrente ist noch nicht in Sicht.“

Den Begriff „Diskjockey“ gab es zu Beginn seiner Karriere noch nicht. Kreitling zeigt ein Papier mit der Bezeichnung „Staatliche Spielerlaubnis für Schallplattenunterhalter“, ausgestellt 1987 vom Rat des Kreises, Abteilung Kultur. Neben seinem Passfoto steht: „Der Inhaber ist zugelassen zur öffentlichen Durchführung von Diskotheken.“ Vergütung pro Stunde: Fünf Mark! Seit 40 Jahren macht Kreitling was er am besten kann: Musik-Unterhaltung mit Moderation. Wenn er mit seiner Anlage auf der Bühne steht, hat er den Schalk im Nacken - immer einen Spruch parat.

Wir blicken auf die vergangenen 40 Jahre zurück.

Y.M.C.A von Village People und Ralf Siegels Dschinghis Khan stehen in den Hitparaden ganz weit oben. Boney M singt El Lute und Peter Maffay stellt fest: So bist du. All diese Titel hat auch Dieter Kreitling auf seinen Tonbändern, als im Jugendklub Kade seine Einstufungs-Disko ansteht. „Ohne solche Einstufungen durftest du bei öffentlichen Veranstaltungen keine Musik machen.“

Zuvor hatte sich Kreitling einen Namen für sein mobiles Entertainment ausgedacht - Memory-Diskothek: „Weil ich mich gern an alte Titel erinnere.“ Er bemalt ein blaues Tuch mit dem Namenszug in reflektierender Farbe: „Das hab ich dann mit Schwarzlicht angestrahlt.“ Dieses Tuch wird in den nächsten zehn Jahren sein Markenzeichen. Bei der Einstufungs-Disko in Kade überwacht eine kritische Kommission aus dem Kreiskultur-Kabinett die Einhaltung der Richtlinien des Arbeiter- und Bauernstaates. Konkret die 60:40-Regelung. Die besagte, dass mehr als die Hälfte aller Lieder aus DDR-Titeln bestehen musste. Kreitling: „Ich habe diese Regelung gehasst wie die Pest.“ Bei dieser Kommission musste der Schallplatten-Unterhalter zuvor ein Konzept für den Diskoabend einreichen, inklusive Reihenfolge der gespielten Songs. Auf seinem Memory-Tisch stehen Plattenspieler und Tonband. Während auf der linken Seite ein Titel spielt, sucht der DJ per Kopfhörer auf der rechten Seite den Anfang des nächsten Songs.

"Live is Life" von Opus ist der Hit des Jahres, Dieter Bohlen singt mit Modern Talking „You’re my Heart, you’re my Soul“ und Aha kommt mit „Take on me“ ganz frisch auf den Markt. Der gelernte Maler Dieter Kreitling arbeitet im Volksgarten (heute ein Möbelhaus an der Berliner Chaussee). Zu DDR-Zeiten war das Restaurant mit großem Saal das kulturelle Herz Genthins. Drei Jahre zuvor hat Kreitling dort als Hausmeister angefangen, ist mittlerweile zum Technischen Leiter aufgestiegen. Nach Feierabend hat er dann seine Anlage ausgepackt: „In diesen Zeiten haben wir bis zu viermal pro Woche Musik aufgelegt.“ Diskotheken gab es seinerzeit in vielen Dörfern. Mit seiner Grundeinstufung durfte Kreitling den Kreis Genthin veranstaltungstechnisch nicht verlassen. Also spielt er oft mittwochs im Volksgarten und Freitag, Sonnabend und Sonntag auf den Dörfern wie Brettln, Parchen, Hohenseeden oder Wulkow. Kreitling ist nicht mehr allein unterwegs. Zunächst war Waldi Rahn sein Techniker, später Nico Kubern aus Parchen. Seine Tonbänder und Plattenspieler hatte er gegen Kassettenrekorder eingetauscht. In der Regel waren die Diskos zeitlich auf fünf Stunden begrenzt: Von 17 bis 22 Uhr oder von 18 bis 23 Uhr und sonntags von 16 bis 21 Uhr. Er muss schmunzeln, wenn er damals mit heute vergleicht: „Früher war die Disko zu Ende bevor sie heute anfängt.“ Zur Wendezeit endet auch die Volksgarten-Epoche für Dieter Kreitling. Erst wird der Technische Leiter abgewickelt, später der gesamte Volksgarten.

Rednex macht den „Cotton Eye Joe“, Wigald Boning und Olli Dietrich fordern „Nimm mich jetzt, auch wenn ich stinke…“ und Scatman John babbelt sich durch „Scatmans World.“ Während sich Genthin an ein neues Gesellschaftssystem gewöhnt, schlägt sich Kreitling beruflich als ABM-Kraft und Fensterverkäufer mehr oder weniger erfolgreich durch. Als selbständiger Veranstalter kommt er seiner früheren Leidenschaft wieder sehr nahe. 1995 plant er ein großes Livemusik-Event auf dem Reitplatz in Mützel. Die Besucher bleiben aus. Die Oldie-Nacht wird für ihn zum finanziellen Fiasko: „Daran hatte ich in den nächsten Jahren noch reichlich zu knabbern.“ Doch er lässt sich nicht unterkriegen: „Vom Sternzeichen bin ich Optimist.“ Unter anderem baut er mit DJ-Auftritten seine Schulden ab. In dieser Zeit legt er häufiger im Saal des Hotels Müller auf. Nicht mehr als Memory-Diskothek, sondern als DJ Dieter: „Diesen Namen hat mir Frank Müller verpasst.“ Schon 1997 folgt die nächste Pleite: „Aus seiner Garage in Genthin wird ihm die gesamte Anlage geklaut.“ Inklusive einer riesigen CD-Sammlung. Die Kassettenrekorder hatte er zuvor bereits in Rente geschickt.

Mit seinem MTV Unplugged-Album „Live vom Atlantik“ schafft es Udo Lindenberg noch mal nach ganz oben in den Charts. Panik-Udo ist nur unwesentlich länger als Dieter Kreitling auf dem Musikmarkt unterwegs. Aktuell plant Kreitling seine große Sause am 30. März im Stadtkulturhaus. Er sagt: „Karten gibt es bereits bei der Tourist-Info.“ Sein Tipp: „Die sind vier Euro preiswerter als an der Abendkasse.“ An diesem Abend will er wieder ganz groß auffahren. Bei seiner „DJ Dieter and Friends Tour“ wird er gemeinsam mit den DJs Jürgen Werner und Frank Dierich (war früher unter „Vulkan“ unterwegs) die Musik des Abends mischen. Hinzu kommt Live-Musik von Jens Berse aus Rathenow. Seine letzte Modernisierung hat er 2017 erlebt: „Über Ostern habe ich 14 Tage lang 8000 Titel von CD auf meinen Laptop überspielt und alle Songs per Hand aufgelistet und katalogisiert.“

Live-Musik: Das war einst der Traum des jungen Dieter Kreitling. Er war 24, als er mit seinen Kumpels kurz vor der Gründung einer Band stand: „Ein ganzes Jahr lang hatte ich im Keller auf einem Schlagzeug geübt.“ Doch seine Mitstreiter hatten nach und nach die Lust verloren. Die Band sollte ein Traum bleiben.

Die Puhdys aus Ostberlin haben ihn musikalisch geprägt. Seine erste Begegnung mit der Truppe hatte Kreitling 1970 im Berliner haus der Talente: „Damals hatte sie noch keine eigenen Titel, sondern spielten Coversongs von Deep Purple, Uriah Heep oder Led Zeppelin.“ Später gehörte Kreitling zu den Fans der Rathenower Band  „Electric’s“. 

Das alles ist lange her. Zu seiner Biografie gehören auch drei Ehen und drei Scheidungen. Er ist Vater von vier Kindern im Alter von 13 bis 42 Jahren.

Es ist ruhiger geworden in Kreitlings Alltag. Zum Frühstück trifft er sich häufig mit Freunden im Supermarkt-Café. Nachmittags ist er ab und an mit seiner Liebsten unterwegs, eine 300er Kawasaki. Und abends macht er immer noch Musik: Familienfeiern, Firmenevents und Partys aller Art: „Ich will Musik auflegen, bis ich auf der Bühne umfalle.“