· 

Dreimal Lemke: Eine Familie auf der Märchenbühne

Märchen-Darsteller Felix Lemke wird eingerahmt von Schwester Elisa und Mutter Kathleen. Foto: Alpha-Report
Märchen-Darsteller Felix Lemke wird eingerahmt von Schwester Elisa und Mutter Kathleen. Foto: Alpha-Report

„Folgt mir!“, sagt der strenge Hofmarschall. Nobel gekleidet wie ein Feldherr in blauem Jackett mit Hut und Zeremonienstab, stolziert Kathleen Lemke über die hölzernen Bretter der Theaterbühne. Auch ohne tiefe männliche Stimme verkörpert die junge Frau ihre maskuline Rolle gemäß der höfischen Etikette. Der geizige König (Frank Zelmanski) ist der Chef am Hofe - der Zeremonienmeister der treue Diener. Siebenmal schlüpfte Kathleen Lemke für die Aufführungen von „Sechse kommen durch die ganze Welt“ in die mittelalterliche Nobel-Robe. 

So weit, so gewöhnlich. Das Besondere: Die gesamte Familie ist auf unterschiedliche Weise in das Wintermärchen des Genthiner Amateurtheaters eingebunden. Tochter Elisa steht als Hofdame neben ihrer Mutter auf der Bühne. Sohn Felix gehört als schneller Läufer zu den Sechsen, die ihr Glück suchen und natürlich auch finden. Im Märchen sprintet der Zwölfjährige so schnell wie Speedy Gonzales, sobald er seine hölzernen Krücken ablegt. Im richtigen Leben gehört Felix nicht zu den Assen auf der Laufbahn. Stattdessen kickt er bei den D-Jugendfußballern von Borussia Genthin im Mittelfeld. Genauso sportlich ist seine Schwester unterwegs. Elisa spielt Volleyball auf Landesebene beim Genthiner VV.

In der Winterzeit tauscht die Lemke-Junior-Abteilung die Sportklamotten gegen märchenhafte Kleider aus dem Theaterfundus. Felix gewinnt den Wettlauf mit der eitlen Prinzessin (Alicia Haack) und hat damit einen großen Anteil am guten Ende für die Sechse, die durch die ganze Welt kommen. Nach zwei kleineren Auftritten in den vergangenen Jahren meistert er diesmal eine der Hauptrollen mit jeder Menge Text: „Ja, das liegt mir, ich fühle mich sehr wohl auf der Bühne.“ 

 

Hofmarschall Kathleen Lemke stellt sich schützend vor König (Frank Zelmanski) und Königin (Elke Lilie). Im Hintegrund Lisa Wolf und Rita Wagner. Foto: Alpha-Report
Hofmarschall Kathleen Lemke stellt sich schützend vor König (Frank Zelmanski) und Königin (Elke Lilie). Im Hintegrund Lisa Wolf und Rita Wagner. Foto: Alpha-Report

Und Texte lernen? Auch kein Problem: „Die jungen Leute haben das sehr viel schneller drauf als wir“, erzählt Mutti Kathleen. Und: Felix kann auch viele Passagen seiner Mitspieler. Sie sagt auch: „Es fühlt sich großartig an, gemeinsam mit meinen Kindern auf der Bühne zu stehen. Und ja, ich bin sehr stolz auf die beiden.“ Tatsächlich hat auch Elisa die Liebe zur Schauspielerei entdeckt: „Normalerweise stehe ich nicht so gern im Mittelpunkt. Aber hier auf der Bühne schlüpfe ich in eine Rolle, die ich mit Leben erfüllen kann.“ Die 16-Jährige spielte im vergangenen Jahr die gute Fee Ostara im Stück „Die silberne Lilie“.

Zum ersten Mal hat Kathleen Lemke ihre Kinder vor sechs Jahren bei „Tischlein deck dich“ in das Märchen eingebunden. Doch erst jetzt ist der Funke tatsächlich übergesprungen. Gegenüber Regisseur und Theaterchef Jürgen Wagner haben beide signalisiert: „Nächstes Jahr sind wir wieder dabei.“ Er sieht beide auf einen guten Weg: „Felix hat seine Sache großartig gemacht. Das gilt auch für Elisa. Zusammen werden wir noch an einer ausdrucksstärkeren Stimme arbeiten.“ Grundvoraussetzung für ein ordentliches Schauspiel sind die Texte: „Erst danach fängt das Spielen an“, sagt Wagner.

Solche Weisheiten kennt Kathleen Lemke schon lange. Konkret seit 1993. Da hatte sie ihren ersten Gat-Auftritt als Hofdame bei „Aschenbrödel“. Ihr erstes Märchen als 16-jähriges Talent war das letzte im Genthiner Volksgarten. Das frühere 1A-Lokal mit Tanzsaal ist danach geschlossen worden und heute ein Möbelmarkt.

 

 

 

Alpha-Märchenvideo

In den Jahren darauf ist Kathleen immer dabei. Fast immer: „Ich habe nur in drei Spielzeiten gefehlt.“ Im Gegensatz zum Hofmarschall 2018 waren es fast immer weibliche Rollen. Für sie gibt es keine Person, die sie unbedingt spielen möchte: „Ich war aber schon Prinzessin und auch Königin.“ Ansonsten lässt sie die Besetzungen auf sich zukommen. Und weil Regisseur Wagner ein massives Männer-Defizit hat, sprang für Kathleen eine „Hosenrolle“ heraus, so nennt der Chef den maskulinen Part. Er sagt: „Ja, wir könnten einige Kerle im besten Alter gut gebrauchen.“ Gut zu sehen ist dies an der königlichen Armee, angeführt von Hofmarschall Lemke, die in der Mehrzahl aus Frauen besteht. Doch das spielt für Kathleen keine Rolle: „Die Theaterleute sind eine zweite Familie. Seit vielen Jahren verbringen wir die Winterwochenenden gemeinsam, daher war es mir so wichtig, dass die Kinder dabei sind, und nicht daheim auf nicht warten.“ Davon hat sich auch Papa Wolfgang anstecken lassen. Er steht zwar nicht auf der Bühne, hat aber Felix die beiden Krücken aus Haselnuss-Ästen geschnitzt.

Wie sagte der Hofmarschall auf der Bühne? „Folgt mir!“ Ihre ganze Familie folgt ihr in die bunte Märchenwelt.

 

 

Regisseur Jürgen Wagner (rechts) hat 23 Darsteller in das Weihnachtsmärchen integriert. Foto: Alpha-Report
Regisseur Jürgen Wagner (rechts) hat 23 Darsteller in das Weihnachtsmärchen integriert. Foto: Alpha-Report

Bildergalerie

Kommentar schreiben

Kommentare: 0