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Volksbank-Vorstand im Alpha-Interview: "Es gibt Anzeichen für erneute Bankenkrise"

Am Rechner werten die Volksbank-Vorstände Martin Trahe (links) und Stefan Hildebrand einige Bankdaten aus. Foto: Alpha-Report
Am Rechner werten die Volksbank-Vorstände Martin Trahe (links) und Stefan Hildebrand einige Bankdaten aus. Foto: Alpha-Report

Die niedrigen Zinsen in Europa machen den Banken zu schaffen. Zinsen gehören zu den Haupteinnahmequellen unserer Geldinstitute. Im Jerichower Land hat die Sparkasse erste Konsequenzen angekündigt. Wie ist die Lage bei der Volksbank?, fragte Alpha-Reporter Falk Heidel die beiden Vorstände Martin Trahe und Stefan Hildebrand.

 

 

Alpha-Report: Welche Auswirkungen hat die Niedrigzinsphase in Europa auf der Bilanz der Volksbank Jerichower Land?

Martin Trahe: Natürlich spüren wir die Konsequenzen in unseren Büchern. Ein Beispiel: 2010 betrug der Zinsüberschuss 3,3 Prozent der Bilanzsumme - aktuell sind es noch 1,8 Prozent. Da sagt schon der gesunde Menschenverstand: Wo keine Zinsen sind, gibt es auch keinen Zinsüberschuss. Ein halbes Prozent höherer Leitzins bedeutet für uns etwa 1,5 Millionen höherer Ertrag. Aber deshalb läuten bei uns noch keine Alarmglocken - unsere Ertragslage ist knapp, aber stabil. 

 

Alpha-Report: Das bedeutet im Umkehrschluss, die 90 Volksbank-Mitarbeiter im Jerichower Land müssen sich keine Gedanken um ihre Jobs machen.

Stefan Hildebrand: Wir gehen davon aus, dass wir ohne Konsequenzen für die Belegschaft über die Runden kommen werden. Das können wir für die kommenden zwei, drei Jahre auch so stehen lassen. Danach könnte es kritisch werden, wenn sich der Zinsmarkt nicht bewegt. Aktuell gilt jedoch: Gutes Personal ist jederzeit willkommen. 

 

Alpha-Report: Legen die Menschen und Firmen in solchen Zeiten weniger Geld an?

Martin Trahe: Ganz im Gegenteil. Unsere Geschäfte verlaufen äußerst positiv. In den vergangenen Jahren stieg die Bilanzsumme auf sechs bis acht Prozent pro Jahr. Diese Tendenz setzt sich 2018 fort. Mit anderen Worten, die Volksbank wächst enorm. Das liegt vor allem an den Geschäften in den Bereichen Fonds, Versicherungen, Bausparkasse etc. Unsere Daten sagen eine stabile Entwicklung voraus. Im Gegensatz zu anderen Bankhäusern wird es für unsere Anleger keine Negativzinsen geben. Es gibt tatsächlich Dinge, die uns größere Kopfschmerzen bereiten.

 

Alpha-Report: Welche?

Stefan Hildebrand: Ein Ergebnis der Finanzkrise ist eine enorm angestiegene Regulatorik.

 

Alpha-Report: Was bedeutet das im Alltag?

Stefan Hildebrand: Alles was in der Bank passiert, auch jede Kleinigkeit, muss unter Einhaltung des Bankgeheimnisses dokumentiert und an die Finanzaufsichtsbehörden übermittelt werden. Dabei geht es nicht nur um Bilanzen und Liquiditätskennziffern, die Angaben sind sehr viel detaillierter. Vor einigen Jahren hat sich noch eine Kollegin nebenbei mit dem Meldewesen beschäftigt. Heute planen wir 1,5 Vollzeitstellen für Tätigkeiten ein, die es früher nicht gab.

 

Alpha-Report: Wo liegen die Gründe für die überbordende Mitteilungspflicht?

Martin Trahe: Die Institute, die uns überwachen, behandeln uns als kleine regionale Bank mit denselben Auflagen wie die globalen, systemrelevanten Bankhäuser. Bedeutet: Wir haben die gleichen Bandagen zu tragen wie Deutsche Bank oder Comerzbank, obwohl wir nur landkreisweit agieren. Wir hoffen seitens der Gesetzgebung auf Erleichterung für kleinere Banken. Die Dokumentationsflut ist eine Konsequenz aus der Bankenkrise von 2008.

 

Alpha-Report: Welche Lehren hat die internationale Finanzbranche aus der damaligen Krise gezogen?

Martin Trahe: Keine! Die Krise ist durch Zocken ausgelöste worden. Und heute wird immer noch gezockt. 

 

Alpha-Report: Stehen wir also vor der nächsten Krise?

Martin Trahe: Klares Ja. Es gibt Anzeichen für erneute Turbulenzen. Die Frage ist nur, wer oder was die nächste Krise auslösen wird.

 

Alpha-Report: Mario Draghi ist Chef der Europäischen Zentralbank (EZB). Er wird oft wegen der niedrigen Zinsen kritisiert. Zu Recht?

Martin Trahe: Zunächst muss man wissen, dass die Zentralbank Dinge ausbaden muss, die von der Politik versäumt worden sind. 27 verschiedene Wirtschafts- und Steuersysteme in Europa sind alles andere als ideale Rahmenbedingungen für eine solide Finanzpolitik. Die Schulden des Einen sind auch immer das Guthaben der Anderen.

 

Alpha-Report: Was würde Sie Herrn Draghi sagen, wenn Sie die Gelegenheit dazu hätten?

Martin Trahe: Wie lange will er noch mit der Korrektur der Niedrigzinsen warten? Die Wirtschaftsleistungen in Deutschland und Europa sind solide. Niedrige Zinsen sind jedoch ein Finanzhebel, um Konjunkturflauten auszugleichen. Und genau dieses Instrument ist derzeit nicht vorhanden, falls es mit der Wirtschaft abwärts geht. Wenn die Zinsen gegen null sind, können sie nicht mehr gesenkt werden.

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