· 

Warum ein Café Nicoles Namen trägt

Die Geschichte von Nicole Krause erinnert ein wenig an Heidi, die bei ihrem Großvater auf der Alm ihr Glück gefunden hat. Das Glück von Nicole Krause liegt nicht im Gebirge, sondern in der Kleinstadt Genthin. Und das Glück hat einen Namen: Café Nicole! Hatte einen Namen, denn die Geschichte dieses Cafés endet im September 2018. Nicole sagt: „Großvater und ich haben unseren Traum gelebt.“ Doch der Reihe nach:

 

November 1990: Die Stimmung ist ausgelassen und fröhlich. Mit der Einweihung des neugebauten Cafés an der Dürerstraße in Genthin beginnt für Günter Wende ein neuer Lebensabschnitt. Er und seine Familie hatten sich als Betreiber des Stadtcafés am Marktplatz (früher Café Hahn) in Genthin einen Namen gemacht. Jetzt folgt der Neustart in den eigenen vier Wänden im Südteil der Stadt. Noch mehr als sein Café liebt Wende seine Enkeltochter - deshalb bekommt das Lokal den Namen „Café Nicole“. „Von all dem Trubel habe ich damals nicht viel mitbekommen. Ich war ja erst sechs Jahre alt. Aber ich weiß, dass wir später meine Einschulung im Café gefeiert haben.“

 

Wenn Günter Wende in der Backstube steht, ist die kleine Nicole oft an seiner Seite: „Bei ihm habe ich mich immer wohl gefühlt. Und es hat mir großen Spaß gemacht, ihm mit meinen klebrigen Händen bei der Arbeit zu helfen. Wir hatten eine sehr enge Bindung.“ An ihre erste Eigenproduktion kann sie sich noch gut erinnern: „Es hat Stunden gedauert, bis ich meine Schiffchen fertiggeformt hatte. Als ich sie in den Ofen schieben wollte, sind sie alle runtergefallen.“

Es kam, wie es kommen musste: Nicole beginnt 2001 in Großvaters Backstube ihre Lehre zur Konditorin. Sie ist fleißig und begabt. Nicole bekommt ihren Gesellenbrief und beginnt 2004 ihre Meisterausbildung. 

Als Günter Wende seine Enkeltochter 2005 in den Arm nimmt, ist sie die jüngste Konditor-Meisterin Sachsen-Anhalts: „Wir beide waren auch im beruflichen Alltag ein tolles Team, ich habe jeden Tag genossen, den ich mit ihm in der Backstube stand.“ Das Geschäft läuft gut. Die Kundschaft liebt nicht nur Eclairs, Rumtörtchen, Mandarinen-Schnitten oder Jahreszeiten-Torte. Die Gäste fühlen sich wohl bei den kleinen Feierlichkeiten im gemütlichen Café. 

Günter Wende fährt mit seiner Enkelin nach Holland, dort absolviert sie einen Lehrgang zur Zuckerartistin. Aus süßen Backwaren zaubert sie fantastische Figuren und Landschaften: Korallenriffe, Delphine und Schwäne oder Märchenmotive als Kunstwerke zum Vernaschen. Das Glück ist perfekt!

Juli 2010: Nicoles Familie kümmert sich um die Hochzeitvorbereitungen. Die Torte soll ein außergewöhnlich schönes Exemplar sein. Aus dem kleinen Mädchen von damals wird eine Ehefrau, die ihren Platz im Leben gefunden hat.

Doch in diesem Leben geht plötzlich ein schwarzer Vorhang runter. Günter Wendes Tod mit nur 67 Jahren hatte sich für sein Umfeld in keiner Weise angedeutet. Nicole sagt: „Das war ein heftiger Bruch in meinem Leben.“

Über Nacht muss sie eine Entscheidung fällen: Aufhören oder weitermachen: „Gewerbeamt, Finanzamt... alle haben Druck gemacht. In dieser Hektik blieb kaum Luft zum Atmen - und kaum Zeit für die Trauer".

Sie beschließt zu kämpfen: „Okay, ich betreibe das Café als Chefin weiter.“ Sie verbindet klassisches Handwerk mit zeitgemäßem Online-Marketing. 700 Menschen gefällt ihr Facebook-Auftritt. Im Geschäft gibt es Frühstück, Mittagstisch und machmal kleine Partys.

 


Und trotzdem läuft es nicht mehr wie zu Großvaters Lebzeiten. Unter anderem fehlt die Laufkundschaft. Nach der Schließung der Bahnübergänge ist Genthin-Süd zu einem Schlafdorf geworden: „Als Kind musste ich oft sehr lange warten, bis ich zwischen all den Autos die Friedenstraße überqueren konnte, heute könnten wir hier problemlos mit Straßenkreide malen.“ Nach einigen Jahren mit Höhen und Tiefen trifft Nicole Krause wieder eine Entscheidung: Wir schließen das Café! Zuvor gab es noch eine letzte Party mit den Stammgästen des Hauses. „Wir sind unserer Stammkundschaft sehr dankbar für die Treue in all den Jahren“, sagt die Konditor-Meisterin, die sich jetzt beruflich neuorientieren wird. Als DJ macht Jürgen Werner wie so oft in den vergangenen Jahren die Partymusik. Er sagt: „Bei den Bauarbeiten für das neue Café habe ich als Maurer damals Trennwände hochgezogen. Seit dieser Zeit verbindet uns eine Freundschaft.“

Diese Wände werden auch künftig ein Lokal beherbergen. Die neuen Pächter werden ein italienisches Restaurant betreiben.

 

Bilder

Kommentar schreiben

Kommentare: 0