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Früher Kanonen und Granaten - was wächst heute auf dem alten Schießplatz in Körbelitz?

Aus Körbelitz berichtet Falk Heidel

 

Früher knallten hier Panzergranaten und Kanonenkugeln: Was passiert aus ökologischer Sicht auf dem ehemaligen Schießplatz in Körbelitz? Auf dem Areal befinden sich noch immer Blindgänger und diverse Kampfmittel - also Lebensgefahr.  

 

Zuerst hat hier das Königliche Heer geschossen, dann die Wehrmacht. Nach dem Krieg ballerten hier die Russen sowie die NVA und von 1993 bis 2007 die Bundeswehr. Seit 2015 gehört der Schießplatz Körbelitz mit einer Größe von 750 Hektar zum Nationalen Naturerbe. „Diese Flächen weisen eine ausgesprochen hohe Artenvielfalt auf“, erklärt Forstdirektor Rainer Aumann. Der Leiter des Bundesforstbetriebs Nördliches Sachsen-Anhalt arbeitet aktuell daran, dass die Waldflächen künftig aus der Nutzung herausgenommen werden und sich selbst überlassen bleiben. „Dadurch wird sich der artenreiche Totholzanteil erhöhen. Langfristig werden sich aus Naturverjüngungen heraus stabile, artenreiche Mischwälder bilden.“

Die ehemaligen Schießbahnen und die baumfreien Flächen sind in Deutschland sehr seltene Biotope mit einer Artenvielfalt an Flechten, Moosen, Gräsern, Insekten, Vögeln und Reptilien. Zum Erhalt dieser Strukturen führt der Bundesforst mit seinen Mitarbeitern regelmäßige Pflegeeingriffe durch. Aumann: „Die sich natürlich ansamenden Pionierbäume wie Kiefern und Birken werden regelmäßig entfernt sowie die Gras- und Heidevegetation durch Mahd oder Schafbeweidung kurzgehalten.“

Der neue Forstbereichsleiter Martin Vogt (links) und Betriebsleiter Rainer Aumann auf dem Schießplatz Körbelitz. Fotos: Bundesforst
Der neue Forstbereichsleiter Martin Vogt (links) und Betriebsleiter Rainer Aumann auf dem Schießplatz Körbelitz. Fotos: Bundesforst

Die Wald-Mischung hat sich in den vergangenen acht Jahren enorm verändert. In dieser Zeit sind mehrere Stürme über den ehemaligen Schießplatz gezogen und haben zahlreiche Bäume umgeworfen, die jetzt als liegendes Totholz Lebensraum für zahlreiche Insekten, Flechten und Moose bilden. Junge Bäume keimen aus. Aber nicht nur die bisher dominierende Kiefer. Durch Wind, Vögel und Säugetiere werden auch Samen anderer Baumarten eingebracht. Jetzt stehen hier auch viele kleine Eichen, Buchen, Birken, Ahörner und Vogelbeeren, die sich prachtvoll entwickeln. Und das fast ohne menschliches Zutun. 

Aus Sicht der Fachleute muss jedoch die Jagd vor allem auf das Reh- und Rotwild beibehalten werden, damit die Tiere nicht die jungen, aufkeimenden Bäume restlos auffressen. „Das hierfür erstellte Jagdkonzept sieht verkürzte Jagdzeiten und keine Einzeljagd vor, so dass das Wild nicht permanent dem Jagdstress ausgesetzt ist“ sagt Rainer Aumann. In der Jagdphase allerdings finden sogenannte Intervalljagden statt, an denen an wenigen Tagen viele Jäger auf der Fläche tätig sind, um in einem möglichst kurzen Zeitraum so viel Wild zu erlegen, dass die natürliche Verjüngung des Waldes nicht gefährdet wird. Es verbleibt ein geringerer Wildbestand auf der Fläche. Aumann zufolge bedarf die Umsetzung des Jagdkonzeptes viel Erfahrung und Verständnis für wildbiologische Zusammenhänge auf dem Schießplatz Körbelitz. 

Spuren der militärischen Nutzung der vergangenen Jahrhunderte sind noch an vielen Ecken sichtbar. Nahezu vollständig zugewachsen ist der Ende des 18. Jahrhunderts aufgeschüttete „Schanzenberg“, von dem aus Friedrich der Große die Heeresübungen beobachtete. „Zu sehen sind auch noch einige Anlagen sowie die Schießmauer, die in den 30 Jahren von der Wehrmacht als Kugelfang errichtet wurde“ berichtet Betriebsbereichsleiter Martin Vogt, der kürzlich seinen Dienst im Bundesforstbetrieb angetreten hat.

Die langjährig militärische Nutzung hat aber auch die Konsequenz, dass sich auf zahlreichen Flächen noch Blindgänger und Kampfmittel befinden, von denen eine erhebliche Gefahr für Leib und Leben ausgeht. Deswegen ist der Platz mit Schildern abgesichert und das Betreten verboten. Führungen durch den Bundesforst werden regelmäßig angeboten, dabei bewegen sich die Besuchergruppen ausschließlich auf den gesicherten Wegen. Ein Beispiel dafür waren kürzlich 22 Mitglieder der Kolpingfamilien Biederitz und Schönebeck, die mit Fachleuten des Bundesforstbetriebes eine geführte Wanderung über den ehemaligen Schießplatz Körbelitz unternahmen. Nach der zweistündigen und fünf Kilometer langen Wanderung zeigten sich die Teilnehmer beeindruckt von der Artenvielfalt auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz.

Derzeit erstellt der Bundesforst mit den Behörden des Landkreises sowie den Feuerwehren ein Brandschutzkonzept, damit es im Falle eines Feuers nicht zu einer Katastrophe kommt.

 

 

Die Historie des Schießplatzes Körbelitz

 

 

  • Militärische Nutzung seit 1713 durch Magdeburger Truppen für das Gefechtsexerzieren
  • Ende 18. Jahrhunderts Aufschüttung des „Schanzenbergs“
  • Jährliche Inspektionsübungen (Heeresschau, Revuen) der preußischen Regimenter, zeitweise unter Leitung des preußischen Königs bis 1805
  • 1930 Errichtung des Denkmals auf dem Schanzenberg
  • 1936 bis 45 Übungsplatz der Wehrmacht; Beschussversuche mit großkalibrigen Waffen
  • 1945 Übernahme des Schießplatzes durch die sowjetische Armee
  • Ab 1956 Schießübungen der NVA mit Infanterie- und Panzerabwehrhandwaffen
  • Mitbenutzung des südlichen Teils durch ein MotSchtzRgt der WGT (Kettenfahrschulausbildung und Schießen mit Infanterie- und Bordwaffen bis 76mm)
  • 1993 bis 2007 Nutzung durch die Bundeswehr (Infanteriewaffen)
  • Seit 2015 Nationales Naturerbe

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